"We must make the building of a free society once more an intellectual adventure, a deed of courage." – F.A. von Hayek

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Bach-Kantaten, Pfarrer und Handyverkäufer

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Christuskirche

„Ach komm! Glaube ist wohl so sehr Privatsache, dass er nicht mal in die Kirche gehört? Du übertreibst jetzt wirklich. Immerhin war’s mal kein Betroffenheitsgottesdienst.“, meinte meine Frau auf unserem Heimweg zu mir. Kurz davor hatte ich mich noch arg über den heutigen Gottesdienst beklagt.

„Ehrlich gesagte … ich fand’s schlimm heute“, hatte ich zuvor gesagt. Wir sind noch nicht sehr lang in der Gemeinde, weil wir gerade erst zugezogen sind.

Dabei war – da hat meine Frau ja auch recht – kaum Gottesdienst im Gottesdienst. Thema der Predigt war eine Eulogie des Paulus, dann gab’s noch eine schnelle Taufe und dann eine (mit Plakaten beworbene) Bachkantate. Die Kantate hat mich überzeugt … der Rest hat mich ehrlich gesagt geärgert.

Aus einer Eulogie kann man vielleicht wirklich weniger machen als aus anderen Bibel-Passagen, aber die Predigt zu beschränken auf die Exegese der drei (immerhin: an „Trinitatis“) Worte „Gelobt sei Gott“ fand ich … naja … da war m.E. noch Potential nach oben.

Dann aber kam die Taufe und es fielen sinngemäß die Sätze „Jetzt gehörst Du zu Gott“ und (zum Täufling) „Das ist Gottes Bekenntnis zu Dir und ich hoffe zu sagst auch „Ja“ zu Gott“
Dann sollte die Gemeinde sich auch „um alle Getauften kümmern“.

Ich empfand das als Ausdruck einer merkwürdigen Erwartungshaltung an ein Kind. Und: soll das ernsthaft heißen, dass nicht-getaufte Kinder nicht „zu Gott gehören“?

Wir haben unseren Sohn bewusst nicht Taufen lassen, obwohl wir uns beide als Christen definieren würden. Meine Frau hält nichts von Kindstaufe (und hat mehrere Pfarrer verschlissen bei der Bitte, jene mögen ihr den Sinn der Kindstaufe erklären und darlegen, wo sich diesbezüglich ein Präzedenz im neuen Testament fände) und ich persönlich finde es auch schön, wenn Menschen eine eigene, informierte Entscheidung treffen.

„Ich bin Christ, weil ich es irgendwie schon immer war“, ist ein Satz, der mich traurig macht. Vielleicht ist es Ausdruck eines amtskirchlichen Duktus, der die Lage des Christentums an der Zahl der Getauften abliest.

Mir kommen Pfarrer daher manchmal wie Handyverkäufer vor: Hauptsache ich habe einen Neuvertrag geschrieben, ob der Kunde damit glücklich wird und weiß, was er da abschließt ist doch irgendwie … bestenfalls zweitrangig.

„Der Mann ich Pfarrer, natürlich freut er sich, wenn möglichst viele Menschen sich zu Gott bekennen. Was erwartest Du von ihm“, meinte meine Frau.

„Er hat aber nicht gesagt: ich würde mich sehr freuen … er hat gesagt: „ich hoffe Du sagst auch ‚ja‘ zu Gott“. Für mich war das eine klare Erwartungshaltung.“ und ich habe dann noch etwas von „religiösem Alleinvertretungschauvinismus“ gesagt. An dieser Stelle war dann meine Frau – wie eingangs zitiert – der Ansicht ich würde es „echt übertreiben“ … vielleicht hat sie recht.

In jedem Fall finde ich es eine gute Tugend, nicht nach dem ersten Anschein zu urteilen. Nächsten Dienstag ist Neumitglieder-Treffen in der Gemeinde und am nächsten Sonntag Abendmahl. Mal sehen, wie das wird.

Und wie gesagt: die Bach-Kantaten waren schön … und das entschädigt.

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