"We must make the building of a free society once more an intellectual adventure, a deed of courage." – F.A. von Hayek


Tatsächlich haben wir Piraten es in ZDF, n-tv, RTL und auf youtube geschafft (toller Film michamo!). Natürlich freue ich mich darüber sehr. Auf der PPH-Liste gab es zu allen Tanzverbots-Aktionen (parteiintern) einige Kritik von Piraten an Piraten … und einige Kritik an den Kritikern. Ich verstehe die Kritik gut und als Anmelder der Demo in Kassel möchte ich mich gern nochmal dazu erklären:

Vorweg: Ich möchte jedem seinen Glauben lassen. Ich bin Christ und ich habe mich tatsächlich ebenfalls nicht 100% wohl gefühlt, als ich heute in Kassel getanzt habe. Ich halte es für durchaus vertretbar, wahrnehmbare Tanzveranstaltungen in der Nähe von Kirchen oder in Wohngebieten am heutigen Tage zu untersagen. Es ging auch weder bei der Kasseler Aktion noch überhaupt um ein Niederreißen aller Schranken des Feiertagsgesetzes. In Kassel haben wir explizit eine Zeit gewählt, an der in der Gegend keine Gottesdienste mehr statt fanden und in einen Ort gesucht, der nicht in Sichtweite einer Kirche lag. Trotz meiner Haltung habe ich getanzt und ich möchte gern versuchen zu erklären, warum ich das Gefühl hatte, es tun zu müssen.

Wenn zwei oder mehr erwachsene Menschen sich am Karfreitag zum Tanzen verabreden und dafür einen Ort wählen, der fernab aller Kirchen und Wohngebiete liegt (z.B. ein Industriegebiet) und wenn Sie dann tanzen, dann fügen Sie niemandem einen Schaden zu und sie verletzen m.E. auch keine religiösen Gefühle. Dieses Verhalten unter Strafe zu stellen schafft daher ein sog. „opferloses Delikt“. Ich halte ein (opferloses!) „Tanzverbot“ für eine übermäßige Ausübung von Staatsgewalt und für dermaßen unzeitgemäß, dass es (vielleicht nicht grundlos und mit einigen unrühmlichen Ausnahmen in Deutschland und in der Schweiz) nur noch in Ländern wie Saudi-Arabien und im Iran anzutreffen ist.

Ein generelles Tanzverbot zu verhängen und auch dort durchzusetzen, wo niemand etwas von der Tanzveranstaltung mitbekommt, der die Veranstaltung nicht mitbekommen möchte, ist Ausdruck eines klerikalen Nanny-States und das exakte Gegenteil von einem Gemeinwesen wie ich es mir wünsche.

Daneben habe ich dreierlei anzumerken:

1. Ich halte das Tanzverbot nicht für einen religiösen Wesenskern des Christentums sondern für eine christliche, vielleicht sogar für eine völkisch-deutsche Tradition(in Italien, Polen, Frankreich, GB und Österreich gibt es keine entsprechenden Regeln): in Rom, rund um den Vatikan sind die Diskos heute auf und die Menschen gehen Arbeiten!2. Ich bezweifle, dass es den Kirchen (insbesondere der evangelischen) wirklich um den Aspekt der ungestörten Religionsausübung geht. Vielmehr denke ich, dass es darum geht, gesellschaftspolitische Macht zu demonstrieren (Seht! Unsere Anhängerschaft mag schwinden, aber wir können immer noch machen, dass die Obrigkeit den Menschen das Tanzen auch dort verbietet, wo es keinen Stört).

3. Ich glaube nicht, dass der Kern meiner Religion und auch nicht meiner Religiosität beinhaltet, Menschen, die meiner Religion nicht angehören oder die sie anders Leben wollen als ich, ihre Entscheidungsfreiheit zu nehmen und meine Werte und Empfindungen aufzuoktroiren.

Ich möchte niemanden verletzen und ich möchte niemandem sein Leben vorschreiben, aber: wenn etwas unmoralisch ist, sollte man sich dagegen wehren, selbst dann wenn es einen selbst nicht betrifft und ich halte es für zutiefst unmoralisch, wenn man anderen Menschen ihr Leben und ihre Empfindungen vorschreiben möchte. Das infantilisiert eine Gesellschaft und billigt denjenigen, die diese Regeln machen und erhalten, eine paternalistische Rolle zu, die Ihnen nicht zusteht. Solche Regeln taugen nicht für eine mündige Gesellschaft.

Sobald wir Piraten das Hessische Feiertragsgesetz geändert haben, werde ich an Karfreitag wohl nicht mehr in der Öffentlichkeit tanzen, denn es entspricht nicht meinem Empfinden an diesem Tag zu tanzen. Bis dahin fühle ich mich aber moralisch verpflichtet, heute und in jedem weiteren Jahr gegen das Tanzverbot zu demonstrieren. Aus demselben Grund unterstütze ich Aliaa Magda Elmahdy darin, sich ohne Kopftuch in Ägypten zu bewegen und Naktfotos von sich zu veröffentlichen: Freiheit ist nicht teilbar und „man sollte nicht“ und „du darfst nicht!“, sind eben zwei ganz verschiedene Sachen.Danke für’s Lesen und Danke für Eure Meinungen dazu.

— Guido

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